Ein falscher Schritt und die Karriere als aktive Pferdpraktikerin war zu Ende – mit 47 Jahren. Wie man aber trotz Invalidität als Tierärztin neu durchstarten kann, zeigt ein Erfahrungsbericht.
“Ich hab‘ immer gern gearbeitet, auch 14 Stunden. Ich mochte das, draußen sein, mit den Pferden arbeiten, mit den Menschen reden.“ Pferdepraktikerin Silke Moberg aus Herdecke schaut wehmütig zurück. Im August 2014 hat sie gerade einen Wallach behandelt, dann auf dem Weg zum Auto ein unglücklicher Schritt: Sie stolpert über eine Kante, fällt hin und bricht sich das linke Handgelenk. Die offene Radiusfraktur verheilt nicht wie erwartet. Die Schmerzen bleiben. Die Ärzte raten ihr dringend ab, weiter am Pferd zu arbeiten.
Dauerhafte Invalidität – Ein Fall ins Leere
Nach 20 Jahren auf Hochtouren ein Fall ins Leere. Sie kann ihre Arbeit in der Dortmunder “Pferdepraxis am Waldhügel“ nicht mehr fortsetzen. Moberg: “Wenn ich nicht das Krankentagegeld und die BU-Rente bekommen hätte, hätte es ganz bitter ausgesehen“. Als die Gutachter nach anderthalb Jahren eine dauerhafte Invalidität feststellen, zahlt erfreulicherweise auch die private Unfallversicherung. Große Erleichterung. Langsam geht es auch mental wieder bergauf.
Brückenprojekt Tierschutzarbeit
Ihr Engagement für den Tierschutz, der “Eichhörnchen-Nothilfe“ half der heute 49jährigen, mit der unfreiwilligen Entschleunigung zurecht zu kommen. Wie bestellt, pocht gerade während des Interviews ein braunes Hörnchen namens “Martha“ an die Terrassentür und bettelt um Streicheleinheiten und Nüsse. Moberg päppelt auf ihrem Waldgrundstück über dem Hengsteysee auch kranke Vögel wieder auf und betreut Hunde aus Nothilfeaktionen in Italien. “Ulrik“ und “Zaira“ sind ihre jüngsten Begleiter. Neustart mit Fachtierarzt und Dissertation) Doch der Tierschutz allein reicht ihr keineswegs als künftiger Lebensinhalt. Vielmehr nutzte Silke Moberg die gewonnene Zeit, ihren Fachtierarzt für Pferde nachzuholen, den sie vor lauter Arbeit immer zurückgestellt hat. Mit Erfolg. Und seit 2015 engagiert sie sich auch berufspolitisch als Delegierte in der Tierärztekammer Westfalen-Lippe. Zudem sitzt sie dort im Ausschuss für Fort- und Weiterbildung. Eine dankbare Aufgabe für eine erfahrene Praktikerin. “Ich habe einfach den Ehrgeiz und Anspruch, neue Wege zu gehen“, richtet die Powerfrau den Blick in die Zukunft. Die gute finanzielle Absicherung hilft ihr dabei, nun auch eine Dissertation anzufangen. Professorin Dr. Kerstin Fey, Innere Klinik der Pferde in Gießen, unterstützt sie dabei.
Dank BU-Rente – Weiterarbeiten in anderem Bereich
Nach Erfahrung von TVD aus einigen hundert Leistungsfällen arbeiten viele Tierärzte mit ihren verbleibenden Möglichkeiten weiter – wenn sie eine private Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) erhalten: entweder halbtags in der eigenen Praxis oder sie schulen um und bilden sich fort. Die Spanne zwischen 50 und 100 Prozent Berufsunfähigkeit bietet diese Chance. Bei Fünf-Sterne-Tarifen gilt stets die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als versichert. So kann zum Beispiel ein langjähriger Praktiker nicht in die Amtsstube verwiesen werden. Anders ist dies beim Versorgungswerk: Dort entsteht nur dann ein BU-Anspruch, wenn der oder die Betroffene im Alter deutlich fortgeschritten ist und die gesamte berufliche Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen einstellen muss.
Wieder aktiv – Nur kein 14-Stunden-Tag mehr
Wie geht es bei Silke Moberg weiter? Sie kann sich gut vorstellen, Ihr Wissen demnächst an einer tierärztlichen Hochschule an den studentischen Nachwuchs weiterzugeben. Als quirlige Frohnatur braucht sie einfach die Herausforderung, den Umgang mit Menschen – allerdings keine 14 Stunden mehr am Tag wie früher. Das Leben hält auch noch andere Annehmlichkeiten bereit.